Das Jahr 1977 dominierte ein Thema in qualitativer sowie  quantitativer Hinsicht wie kein Jahrgang je zuvor und auch nicht danach in der innerdeutschen Geschichte bis zum Fall der Mauer 1989. Die Flucht zahlreicher weiterer hochkarätiger DDR Künstler war letztendlich neben dem Imageverlust des SED Regimes auch ein kulturell unersetzbarer. 

Dem Liedermacher Wolf Biermann war im November 1976 nach einem Konzert in Köln, bei dem er auch Kritik an den Zuständen in der DDR geübt hatte, wegen "grober Verletzung der staatsbürgerlichen Pflichten" die Staatsbürgerschaft der DDR aberkannt worden. Auf Initiative von Stephan Hermlin wandte sich daraufhin eine Gruppe von Schriftstellern mit einer Protesterklärung an die Öffentlichkeit, die – nachdem das SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" sie nicht veröffentlicht hatte – über westliche Nachrichtenagenturen verbreitet wurde. Der Erklärung schlossen sich zahlreiche weitere Künstler und Intellektuelle an u.a. auch mein leider 1992 viel zu früh verstorbenen Vater Horst Gretzschel, welcher in Biermanns & Nina Nagens Wohnung in der legendären Chausseestrasse Hausnummer 131 die historische Protestpetition unterschrieb, wie auch in der Stasiakte meines Vaters zulesen. HIER

 (© Bundesarchiv, Bild 183-K0911-030; ADN-ZB/DFF)
(© Bundesarchiv, Bild 183-K0911-030; ADN-ZB/DFF)

Die damals zwei bekanntesten sowie beim DDR Publikum beliebtesten Protestler waren der heutige in den Staaten lebende Hollywoodstar Armin-Müller-Stahl & der auch später nach seiner Flucht in den Westen beliebte Schauspieler Manfred Krug(✝). Beide waren last but not least die wohl härtesten politischen Brocken & bittersten Pillen die die Stasi & die Ost-Politbonzen im Zentralkomitee schlucken mussten.

Foto: (dpa)
Foto: (dpa)

Wenige Monate nach dem Ende der Tournee, am 19. April 1977, stellte Manfred Krug einen Antrag auf Ausreise aus der DDR. Er begründete dies mit den Repressalien, denen er sich wegen der Weigerung, seine Unterschrift unter die Petition zurückzuziehen, ausgesetzt sah: Geplante Filmprojekte wurden auf Eis gelegt, eine vorbereitete Schallplatte sollte nicht veröffentlicht werden, Angebote für Filme und Konzerte blieben aus. Auch brachte er seine Verbitterung über die erwähnten Vorgänge bei seiner Tournee zum Ausdruck: Es habe bei einigen Terminen "Gruppen von Zuhörern" gegeben, "die während des ganzen Konzerts finstere Minen vorführten und keine Hand rührten, eine Art von verabredeter Feindseligkeit, die einem Bühnenkünstler die Arbeit unmöglich macht, die ihn kaputtmacht". Zudem beklagte Krug eine zunehmende gesellschaftliche Isolierung: Erste Bekannte verzichteten auf Besuche, bei der Auszahlung der "Jahresendprämie" hätten nur noch wenige Kollegen gewagt, ihm die Hand zu geben, und manche Eltern verböten ihren Kindern, mit seinen Kindern zu spielen. (Quelle Krug Biographie).

Foto: Andrea Fricke 2004
Foto: Andrea Fricke 2004

Armin Mueller-Stahl musste nach der Unterzeichnung der Protesterklärung gegen die Biermann-Ausbürgerung ähnliche Erfahrungen machen wie Krug. Seine berufliche Isolierung in dieser Zeit beschreibt er im Rückblick so: "Über Jahre hinweg hatte bei mir pausenlos das Telefon geklingelt. Nun plötzlich: Totenstille. Ich war beruflich von einem Tag zum anderen kaltgestellt."[12] Auch er spielte daher mit dem Gedanken, die DDR zu verlassen. Seine Charakterisierung in den ZAIG-Berichten weist Parallelen zu der Krugs auf. Auch Mueller-Stahl wird Geltungssucht unterstellt: Mehrfach heißt es, er hielte sich für einen "ganz großen Schauspieler", dem "Zugeständnisse und größere Freiheiten", vor allem Reisemöglichkeiten, gewährt werden müssten. Zudem sei in seinem persönlichen Umfeld geäußert worden, er sehe sich "immer stärker in der Rolle eines Märtyrers und gefalle sich darin" – unter anderem wurde er mit der Bemerkung zitiert, er habe "lieber eine 'verbogene Biographie statt eines verbogenen Rückgrats'". Stark abgehoben wird auf Mueller-Stahls angebliche Beeinflussung durch andere Personen: Er stehe insbesondere unter dem "negativen Einfluss" von Krug, demgegenüber er nach eigenen Angaben "große Achtung und Dankbarkeit" empfand, da er dazu beigetragen habe, sein Selbstvertrauen im Umgang mit Vertretern der Staats- und Parteiführung zu stärken. Auch sein Schwager Ulf Reiher, Intendant des Landestheaters Halle, würde ihn "negativ" beeinflussen, und seine Ehefrau habe sich über "unerwünschte Besucher und Anrufer" beklagt, "die sich gegenseitig bemitleiden und aufputschen". Im Gegensatz zu Krug spielen angebliche materielle Interessen in den Berichten über Mueller-Stahl kaum eine Rolle. Zwar weist die ZAIG auf den Wert seiner Immobilien hin und informiert über die – geplante und vollzogene – Transferierung von Vermögen und Wertgegenständen (Antiquitäten) in die Bundesrepublik, doch ging es hierbei offenkundig in erster Linie darum, auszuloten, wie ernst seine Ausreiseabsichten waren und welche konkreten Vorbereitungen hierfür er bereits getroffen hatte. Denn Mueller-Stahl rang lange mit seiner Entscheidung, die DDR zu verlassen; in den ZAIG-Berichten heißt es, er sei "schwankend und unsicher", ob er seinen Ausreiseantrag abgeben solle. Partei- und Kulturfunktionäre bemühten sich in vielen Gesprächen darum, ihn in der DDR zu halten, hatten damit aber nur vorübergehend Erfolg: Im Jahr 1980 verließ auch Mueller-Stahl die DDR in Richtung Westen. (Quelle Armin Müller Stahl Biographie)